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Alternative Fußball-Ligen und Fan-Beteiligung statt Sponsoren-Macht

Der DFB und die von der DFL organisierte Männer-Bundesliga gelten als der heilige Gral, als Dreh- und Angelpunkt, Mittelpunkt der (deutschen Fußball-)Welt. Aber warum? Im Boxsport kann man in vier verschiedenen Verbänden Titel gewinnen. Klar, das ist oft etwas unübersichtlich, aber warum sollte ein einziger Verband das Monopol auf etwas so Freies wie den Sport haben? Außerhalb des Fußballs sind mehrere Verbände für ein und dieselbe Sportart keine Seltenheit - im Fußball schon. Aber es gibt sie, die Alternativen. Vor allem für all jene, denen es neben dem Sport auch um Teilhabe, Gestaltung sowie um politisches und soziales Engagement geht…

Choreografischer Protest im Stadion: Viele Fans zeigten im Frühjahr ihren Widerstand, als die Deutsche Fußball Liga (DFL) über einen Investoren-Einstieg als mögliche externe Geldquelle abstimmte. Letztendlich scheiterte der Plan an der nötigen Mehrheit.


(Credit: picture alliance / dpa / Bernd Thissen)


Von linken Socken bis Lightbeer: Alternative Fußball-Ligen in der Schweiz

Die älteste alternative Fussball-Liga im deutschsprachigen Raum ist der Fortschrittliche Schweizer Fussball-Verband, auch Alternative Liga Zürich genannt. 1977 in linken Zürcher Kreisen gegründet, um sich dem kommerziellen Schweizer Fußball zu entziehen, stellte der FSFV dem „rückschrittlichen“ offiziellen Schweizerischen Fussball Verband ein „fortschrittliches“ Regelwerk entgegen: Schiedsrichter, Ranglisten, einheitliche Trikots, sogar die Fußballschuhe wurden damals abgeschafft. Heute zählt der FSFV 42 Mannschaften und über 650 Mitglieder. Gekickt wird wieder mit Fußballschuhen und meistens sogar mit Schienbeinschonern, “weil Ideale halt nicht vor blauen Flecken schützen", heißt es auf der Vereinsseite. “Und wenn dann noch eine Mannschaft in Nike-Trikots auf den Rasen rennt, dann sitzt der Gram bei einigen Gründungsvätern tief."

Eine Alternative zur Alternative bietet auch die Alternative Fußball Liga St. Gallen. Laut Reglement braucht es keine Schiedsrichter*innen - die Mannschaftskapitän*innen sind verantwortlich für das Einhalten der Spielzeiten und Rücksprache der Resultate. Die Abseitsregel wird nach Gutdünken angewendet, Tiqui-taca ist verpönt, Catenaccio im Zweifel, Kick and Rush erwünscht. Gespielt wird in vier Ligen, u.a. in der Bratwurst- oder der Senf-Liga. Diese Liga richtet sich an alle, die Fußball spielen oder schon immer spielen wollten. Ohne Schiedsrichter, mit Familiensektoren und Lightbeer. Als Sponsoren werden nur lokale Brauereien geduldet. Soweit so lustig.


Die Würde des Balles: Alternative Ligen in Deutschland



Die wilde Liga Bielefeld ist die älteste alternative Liga Deutschlands und besteht wie jene in Zürich seit Ende der 1970er Jahre - hat sich aber nie als Verein gegründet.




Sie ist eine freie, lose Zusammenarbeit von engagierten Menschen und komplett ehrenamtlich selbstorganisiert. Hier spielen Privatpersonen miteinander.

Das höchste Entscheidungsgremium, das Wilde-Liga-Plenum, trifft sich viermal pro Saison und entscheidet über Änderungen im Reglement, Auf- und Abstiegsbestimmungen oder Saisonbeitrag. Finanziert wird die Wilde Liga Bielefeld durch einen Saisonbeitrag von 30 Euro pro Team. Mitmachen kann jeder und jede, sei es mit einem eigenen Team oder durch Anschluss an ein bestehendes Team. Dabei geht es um sportliches Miteinander. In der Präambel heißt es: “Kern unseres Selbstverständnisses ist der respektvolle Umgang miteinander – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Glaube, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder anderer Zuschreibungen. Wer hier spielt, akzeptiert dies und steht auch in Konfliktfällen für einen gewalt- und diskriminierungsfreien Umgang miteinander ein – auf und neben dem Platz. Übrigens: Auch die Würde des Balles ist unantastbar.” Ob Zürich, St. Gallen oder Bielefeld - genannte Beispiele sind recht überschaubar und regional angesiedelt, aber es geht auch international!


Geburtsstunde neuer Fußball-Modelle




Die vom Mailänder Fußballverein Brera Calcio gegründete FENIX ​Trophy ist ein jährlicher Fußballwettbewerb, in dem seit 2021 Amateur-vereine gegeneinander antreten - jeweils mit einem karitativen Partner.






Das Akronym FENIX steht für freundlich, europäisch, nicht-professionell, innovativ und xenial - letzteres leitet sich vom altgriechischen Wort „xènos“ ab und bezeichnet eine Haltung der Gastfreundschaft gegenüber Fremden und die Wahrung des gegenseitigen Respekts gegenüber kulturellen Unterschieden. Die Bedeutung der FENIX Trophy geht also weit über den reinen Fußball-Aspekt hinaus. Der Wettbewerb soll sportliches Verhalten, soziales Engagement, Nachhaltigkeit und Freundschaft zwischen Vereinen fördern. Dafür steht auch die Trophäe selbst: Der Phönix - jener mythische Vogel, der aus der Asche seines Vorgängers aufersteht. Ist das also die Geburtsstunde neuer Fußballmodelle? Mit dabei sind Klubs aus Deutschland, Italien, Spanien, Polen, Dänemark, Belgien, den Niederlande, Großbritannien, Serbien und der Tschechischen Republik, die eines gemeinsam haben: Sie sind als Gegenentwurf zum Profifußball meist von Fans aufgebaut oder geführt. Gründe, sich als Fan vom Profi-Geschäft im Männerbereich zu entfremden, gibt es schließlich viele: Überkommerzialisierung, Abgehobenheit der Stars, Gewinnmaximierung statt sozialem Engagement, intransparente Geschäftsgebaren, mangelnde Diversität, unverhältnismäßige Eintritts- oder Verpflegungspreise, exorbitante Transfersummen, intransparentes Verbandsverhalten bis hin zur Korruption… Wer will da nicht Reißaus nehmen?


KSK Beveren: Gütesiegel "fan-owned"

Ein Beispiel für einen mitgliedergeführten Verein in der FENIX Trophy ist der KSK Beverenaus Belgien. Der Klub als solches besteht bereits seit 1935. 2011 wurde der gemeinnützige Verein des Fankreises Beveren gegründet. Die Mitglieder haben sich Demokratie, Transparenz und Inklusion auf die Fahnen geschrieben. Seither besteht für Unterstützer*innen und Sympathisant*innen die Möglichkeit, Miteigentümer*in des Klubs zu werden. Eine Mitgliedschaft kostet 35 Euro pro Saison. Doch wie wird ein von Fans geführter Klub regiert? Die Mitglieder waren und sind konstruktiv an den wichtigsten Entscheidungen des Vereins beteiligt und bestimmen alles mit. Vom Vereinsnamen, über die Vereinsfarben, das Logo, die Trikots bis hin zu Ticket- und Abonnementpreisen. Jeder Fan hat eine Stimme.


FC United: Kunden statt Fans? Nein, danke!

Ein weiterer Klub, der in der FENIX Trophy spielt, ist der von Manchester United Fans gegründete FC United of Manchester, umgangssprachlich Red Rebels genannt. Auch der FC United ist ein gemeinnütziger, gemeinschaftlicher Fußballverein, der seinen Anhänger*innen gehört und demokratisch nach dem Prinzip „Ein Mitglied, eine Stimme“ geführt wird.



Die Fans gründeten den FC United 2005, um sich gegen die Übernahme von ManU durch US-Geschäftsmann Malcolm Glazer und die damit einhergehende fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs zu wehren. “Der Zweck des FC United besteht darin, seinen Anhänger*innen, die es leid sind, dass der moderne Fußball ständig auf Kosten der Fans nach noch mehr Reichtum strebt, erschwinglichen, mitgliedergeführten und gemeinschaftsorientierten Fußball zu bieten”, heißt es auf der Homepage.

Die Fans des Clubs halfen auch bei der Finanzierung des 4.400 Zuschauer*innen fassenden Stadions im Broadhurst Park, das 2015 eröffnet wurde. Während der Corona Pandemie hat der FC United den Broadhurst Park als Anlaufstelle genutzt, in dem Freiwillige unzählige Hilfsbedürftige mit Lebensmitteln, Vorräten und Trost versorgten.


HFC Falke: Dankbar rückwärts, mutig vorwärts


Nicht nur in Manchester, auch in Hamburg hat man sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs gewehrt. Der 2014 gegründete Verein Hamburger Fußballclub Falke e.V. ist der erste Verein, der sich von einem Bundesliga-Club abgewendet hat. Er entstand aus Protest gegen die Ausgliederung der Profifußball-Abteilung des mitgliedergeführten HSV in eine Aktiengesellschaft. Man befürchtete den Verlust der Entscheidungsgewalt der Mitglieder.


“Wenn es im Sport nur noch um enthemmte Gewinnmaximierung geht und die Gier keine Grenzen mehr kennt. Wenn die Unersättlichkeit Dimensionen erreicht, die für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbar sind, dann ist es nicht mehr verwunderlich, wenn sich treue Fans abwenden. Sie verlieren ihr Zugehörigkeitsgefühl endgültig”, heißt es auf der Vereinswebsite.


Der HFC Falke spielt ohne Trikotwerbung. Es gibt keinen Hauptsponsor, denn der HFC will unabhängig sein. Wenn ein Sponsor den Verein unterstützen will, entscheiden die Mitglieder. Der HFC Falke positioniert sich damit bewusst als ein „Gegenentwurf“ zum kommerziellen Fußball.


(Credit: Axel Heimken / dpa)


Doch dem Idealismus sind Grenzen gesetzt. Auch der HFC Falke braucht ein gewisses Maß an finanziellen Mitteln, um Sport zu ermöglichen. Der Verein spielt aktuell in der Bezirksliga Hamburg West, will aber eines Tages in die Oberliga. Langfristig soll auch noch eine Jugend- und Frauenabteilung etabliert werden. Unterdessen war der Verein lange heimatlos, ohne feste Infrastruktur. Trainiert wurde auf drei bis vier verschiedenen Anlagen. Doch entmutigen ließ man sich während zäher Verhandlungen mit der Stadt Hamburg nie. Schließlich lautet das Vereinsmotto „dankbar rückwärts - mutig vorwärts“.

DFB: Monopol aus Erfahrung?

Doch Fan-Beteiligung, Fairness und soziales Engagement in allen Ehren - sind wilde Ligen und alternative Vereinen eine wirkliche Alternative zum Deutschen Fußball-Bund?

Der DFB ist der oberste Fußballverband in Deutschland und mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern der größte Sportfachverband der Welt. Er trägt die Verantwortung für den Spielbetrieb von etwa 140.000 Mannschaften - von der 3. Liga bis hinunter zur Kreisklasse. Das entspricht bis zu 80.000 Partien pro Woche und 1,5 Millionen Spiele pro Saison.


(Credit: DFB)

Dafür müssen Spielpläne erstellt, Termine festgelegt, Schiedsrichter*innen eingeteilt werden. Rechtfertigt da nicht schon allein die Erfahrung des DFB seine Monopolstellung? Auf keinen Fall, sagt sich die Confederation of Football, ein alternativer Verband aus Leipzig, der seit 2018 dem DFB Konkurrenz macht. Dieser Verband organisiert einen vom DFB unabhängigen Spiel- und Turnierbetrieb und beruft sich dabei auf das EU-Wettbewerbsrecht. Das Motto der CoF lautet “Verband neu gedacht”. Man wolle alles Bestehende in Frage stellen und Antworten darauf finden, wie ein Fußballbund heute organisiert sein muss, um das bestmögliche für seine Mitglieder zu erreichen. Schlagworte sind digital, serviceorientiert, partnerschaftlich, demokratisch, transparent, unabhängig.

Doch schon kurz nach der Gründung des CoF gab es Zoff mit dem offiziellen Fußballverband der Stadt Leipzig (FVSL). Damals wies man alle Mannschaften darauf hin, dass die im FVSL und damit eben auch im DFB gemeldeten Mannschaften nicht einfach an alternativen Spielbetrieben teilnehmen dürften - ohne Genehmigung drohten ansonsten Sportgerichtsverfahren.

Die Frage ist: Wovor hat man Angst bei einem Verbände-Wettstreit? Dass Konkurrenz das Geschäft belebt? Dass sich Vereine gegen den DFB und für ein eigenes Liga-System entscheiden könnten? Dass Fußball unbürokratischer, transparenter oder gar demokratischer wäre? Oder dass man irgendwann auch den profitablen Profi-Fußball nicht mehr länger schalten und walten lässt?


Die Macht der Macher

In Zeiten, in denen es Trend ist, ganze Profiabteilungen aus Vereinen in Kapitalgesellschaften auszugliedern, wird es immer wieder Initiativen geben, die stattdessen den Vereinsgedanken stärken wollen. Die Fans von Rot-Weiss Essen haben es längst vorgemacht und kauften sich ihren Stadionnamen. Statt nach dem nächsten Sponsor zu gucken, bei dem man davon abhängig geblieben wäre, ob er seine Rechte für sich selbst nutzt oder nicht, kauften die Fans mit Hilfe einer Fundraising-Aktion die Namensrechte am Stadion von den Rechteinhabern RWE Deutschland AG und Sparkasse ab. Seit 2022 heißt die Spielstätte nun „Stadion an der Hafenstraße“. Bei Eintracht Braunschweig hat man es den Essenern gleichgetan. Durch eine Crowdfunding-Aktion sammelten Fans Geld, um den Namen "Eintracht-Stadion" zu erhalten. Die Geschichten rund um wilde Ligen, alternative Vereine und Fan-Initiativen zeigen: Man muss als Fan nicht alles mitmachen. Dort, wo sich viele Menschen mit einer gemeinsamen Leidenschaft zusammentun, ist auch eine Macht vorhanden und damit einhergehend eine Verantwortung. Beides kann man nutzen, um etwas zu bewirken. Sportlich, wie auch gesellschaftlich.


Das zeigt auch das Beispiel von Beitar Nordia aus Jerusalem. Der 2014 von Fans gegründete Fußballverein, in dem auch Muslime spielen, macht sich mit seinem Engagement für Integration, gegen Rassismus und für Frieden stark. “Frieden jetzt” steht auf dem T-Shirt dieses Anhängers des Vereins.


(Credit: Hadar Alfasi)


“Das ist Sport, das ist Liebe, das ist Zusammensein, Sport muss die Leute zusammenbringen", fasst es ein Fan von Beitar Nordia in diesem Beitrag zusammen. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.


P.S.: Was würdest du als Fan und oder Spieler*in gerne anders machen als bisher? Auch in Bezug auf den FC Viktoria Berlin. Schreib mir deine Meinung an sonja@fcviktoria.com. Ich würde mich freuen, wenn ich ein paar Ideen und Anregungen im nächsten Newsletter veröffentlichen kann!

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